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Der Weihnachtsteppich

der Künstlerin Annemarie Rehfeld geb. Liesegang 

im Gildemeisterhaus in Zella-Mehlis,

gestickt 1948 im alten Wienhäuser Teppichstich.

Frau Rehfeld ist 1921 geboren und hat in Köln auf der Meisterschule des gestaltenden Handwerks studiert. Zu ihren herausragenden Arbeiten gehören Restaurierungen von Teppichen auf der Wartburg, im Ursulinenkloster in Erfurt, die Wandbehänge im Schloss Großkochberg u. v. a.. Sie lebt heute in Suhl.

 

 

Die Menschwerdung des Menschensohnes

 

Im Gildemeisterhaus, dem Gemeindehaus der Kirchgemeinde der St. Magdalenenkirche in Mehlis hängt in der Adventszeit ein außergewöhnlicher Teppich der Suhler Künstlerin Annemarie Rehfeld geb. Liesegang. Schon in seiner äußeren Gestaltung als runder Wandteppich fällt er auf. Wir schauen auf ihn wie in einen runden Spiegel, der uns Bilder der Ewigkeit in unser irdisches Leben hineinspiegelt. Die Suhler Künstlerin hat die biblischen Geschichten der Advents- und Weihnachtszeit mit ihren künstlerischen Zeichen hinein gewebt.
 

Was erkennen wir?
 

Da ist in der Mitte das Geschehen der Christgeburt. Maria sitzt mit dem Jesuskind auf dem Schoß; Josef hat den Arm um sie gelegt und schützt mit einer Geste seiner Hand das Kind; Hirten mit ihren Schafen und Könige mit Geschenken stehen und knien davor, um es anzubeten. Ein Stern leuchtet im Stall und über dem Dach singen die himmlischen Heerscharen „Ehre sei Gott in der Höhe“! Dieser Lobgesang der Engel steht auch als Text in dem äußeren Kreissegment. 
 

Dieser ist in 12 Segmente aufgeteilt, die alle die Vorbereitung auf dieses weihnachtliche Geschehen darstellen, wie sie im Lukas- und im Matthäusevangelium im ersten und zweiten Kapitel beschrieben sind.
Fangen wir oben links mit dem Spruch „Fürchte dich nicht, Maria“ an.  

 

Im Lukasevangelium steht dazu (Lukas 1,26-33):
„Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,  zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!  Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?  Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,  und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben“.


Maria steht  erschrocken sich abwendend da. Das Bild rechts neben diesem Spruch zeigt dagegen Maria, wie sie sich dem Engel zuwendet und in den Lobgesang einstimmt.  Im Bibeltext (Lukas 1, 34-38) steht:


Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.“ und später singt sie V. 46 f.:“Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes;…“

 

Maria nimmt ihren Auftrag von Gott demütig an und erzählt es in der nächsten Szene neben dem Spruchsegment ihrer Verwandten, der Frau des Priesters Zacharias, Elisabeth. Nun wird ihre besondere Situation auch von Elisabeth erkannt, sie fragt Maria Lukas 1, 43-45:
„Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe.  Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.“
Wir sehen die beiden Frauen im Gespräch.
 

Im nächsten Kreissegment machen sich Josef und Maria auf die Reise zur Volkszählung. Josef hat den Hirten- und Wanderstab in seiner Hand; Maria trägt über ihrem roten Kleid der Liebe Gottes den grünen Mantel der Hoffnung, wie ihn der Engel trug. Lukas schreibt Kapitel 2, 1-5:
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur  Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.“


Im nächsten Kreissegment erscheint der Engel einem Hirten, die anderen Hirten stehen vier Kreissegmente weiter. Während der erste Hirte noch zuhört, machen sich die anderen Hirten schon bereit, um zur Krippe zu gehen. Ihnen allen erscheinen die „Menge der himmlischen Heerscharen“ zwischen den beiden Spruchsegmenten. Ihnen gilt das Wort des Engels: „Fürchtet Euch nicht“ und alle stimmen bis heute in den himmlischen Lobgesang der Engel mit ein: „Ehre sei Gott in der Höhe“!

 

Im Lukasevangelium steht dies so (Lukas 2, 8-15):
„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;  denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.“

 

Nun fehlt noch das letzte Kreissegment mit den drei Weisen aus dem Morgenland. Einer von ihnen trägt eine Krone; sie folgen dem Stern, der ihnen den Weg zu dem Herrn der Welt zeigt.
Im Matthäusevangelium Kapitel 2, 9 steht:
„Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.“
Diesen Stern sehen wir nun wieder über dem Stall. Die Engel, Maria und Josef, die Hirten mit den Schafen die Weisen aus dem Morgenlande sind unter dem schützenden Dach des Stalles geborgen in dieser irdischen Welt, deren Spiegel in das himmlische Reich Gottes weist.
 

Die Künstlerin Annemarie Rehfeld geb. Liesegang stellt mit den 12 Kreissegmenten der Uhr das Geschehen der Christgeburt in die Mitte der Zeit, als sie erfüllt war. Sie hat ein kompliziertes Gegenüber der einzelnen Szenen, nicht nur zu den Spruchsegmenten, sondern auch der Bildgruppen untereinander zu einer Ikonographie zusammengestellt, die vielgestaltig einander ergänzen und auslegen. Wir dürfen uns mit unseren Betrachtungen in dieses Geschehen der Heiligen Nacht mit hinein nehmen lassen. Gottes Sohn wird nun der Mensch Jesus; der Mensch, der das Vorbild für das Menschenbild des Menschen ist; der Mensch, der darüber hinaus das Bild Gottes in unser Menschenbild hineinleuchtet; der Mensch, der die Menschwerdung des Menschen erst ermöglicht. 

   

Der Mensch ragt aus der Schöpfung Gottes heraus, weil Gott ihn als sein Gegenüber, als Mensch geschaffen hat. Als Mensch kann er über das Geschaffene hinaus den Schöpfer erkennen und in dem Kind in der Krippe den menschensohn, der beide Dimensionen des irdischen und des himmlischen Lebens zusammenführt.

  

Hat die Künstlerin Annemarie Rehfeld dies in der geöffneten Acht der Verzierungen angedeutet? Noch sind beide Dimensionen des Lebens nicht geschlossen. Der Menschensohn ist Mensch geworden, aber das Kreuz schließt erst die Kreise der Unendlichkeit zusammen. Wir dürfen aber schon in jedem Gottesdienst in das Lob der Engel einstimmen:

"Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."
 

Hans-Joachim Köhler, Oberpfarrer i. R. | hansjoachimkoehler@msn.com