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Hans-Joachim Köhler

 

Laudatio zur Ausstellungeröffnung am 07.03.2009
um 19:30 Uhr im Coudrayhaus, Parkstr. 16 in Bad Berka

 

Gert Weber (webbs)
Malen gegen die Ohnmacht
Bilder zur Passion

 

Meine Damen und Herren, lieber Gert Weber!


Ich darf heute eine Laudatio zur Eröffnung Ihrer/dieser Ausstellung
„Malen gegen die Ohnmacht - Bilder zur Passion“ halten.
Es ist ja nicht ganz selbstverständlich, dass ich als Pfarrer hier stehe, der ich ja kein Kunsthistoriker oder Kunstkritiker bin. Kunstkenner bin ich schon.
Auf der anderen Seite hat Gert Weber ja auch „Bilder zur Passion“ gemalt und stellt sie hier bewusst mit aus. Das ist nun ein Thema, zu dem ich schon etwas zu sagen habe.
Und dann ist da auch noch im Hintergrund das Gedenken an den Mauerfall vor 20 Jahren, dass ja in dieser Ausstellung durch die  großen Bilder der „Klagemauer“, die „ahle Männer“ u.a. repräsentiert wird. Im Grunde schwingt dieses Thema bei allen Bildern Gert Webers mit.
Gert Weber (Webbs) stellt sich mit diesen Themen und seinen Bildern zwischen die Fronten:
Zwischen die Macht der kleinen Gruppe von Mächtigen;
und er stellt sich zwischen die große Gruppe der Ohnmächtigen.
Er mischt sich mit seinen Bildern ein.
Wer sich zwischen die Fronten stellt reibt sich auf und muss aufpassen, dass er nicht zerrieben wird. Gert Weber hat dies in seiner Vita erfahren. Er nimmt die Herausforderung auf, indem er die alte Kunst des vieldeutigen Malens aufnimmt. Gert Weber malt keine „pädagogischen Bilder“ die eindeutig sein sollten, seine Bilder wollen vielfältig den Betrachter in seiner momentanen Situation ansprechen und eine Stellungsname herausfordern.
Ist nun der bei ihm oft dargestellte Clown ein ewiger Freudenspender des Menschen oder ist er ein Zeichen des Vorhaltens einer Maske, die seine Gefühle im Innersten verbirgt und die doch nach Außen drängen?
Sind die Gestalten der Passionsgeschichte einmalige historische Persönlichkeiten oder verbirgt sich in ihnen und hinter ihnen ein Geschehen, das jeden einzelnen Menschen auch heute in seiner je eigenen Zeit und an seinem je eigenen Ort angeht?

 

Nehmen wir als erstes Beispiel ein kleines unscheinbares Bild: „Ecce Homo“, das in dieser Ausstellung noch eingefügt wurde. 


 

 "Seht, welch ein Mensch!" sagt Pilatus in Joh 19,5 als Jesus gegeißelt und verspottet ihm zugeführt wurde. Gert Weber zeigt diesen Menschen aus seiner Sicht. Er zeigt keine Dornenkrone. Er nutzt die Zeichen des Vierecks als Zeichen der Begrenztheit dieser Welt, stellt den Menschen aber auch in das Zeichen des Ewigen, den Kreis. Aus diesem Element geschaffen, hält es ihm den "Rücken" frei, gibt es ihm neue Freiheiten. So sieht man in dem begrenzten geschlagenen Menschen den Menschen, den Gott sich schuf.
Gert Weber  malt Menschen als Zeichen des Menschlichen bei denen es menschelt. Er geißelt Unmenschliches in den Bildern gegen Gewalt und gegen die Ohnmacht.
Die Bilder der Passion Christi werden so Passionsbilder der Menschheit. 
Die Köpfe werden so Masken in den Umgrenzungen, um das Menschliche hinter den Masken zu verstellen und so zu verbergen, dass es nur der Wissende erkennen kann.

 

 

Die alten Männer, 1988/89, Öl auf 5 Hartfaserplatten (161 x 380 cm). Diese Satire auf die abgehalfterten Machthaber gilt als Webers politischstes Gemälde. Es erregte auf der ersten juryfreien Ausstellung der DDR im Sommer 1989 in Erfurt erhebliches Aufsehen.

Was ist eigentlich an dem Bild „Alte Männer“ von 1988 so aufregend? Alte Männer können und dürfen ruhig etwas steif und unbeweglich sein. Dass sie selbstgefällig, gespalten, verbittert, zurückgezogen, unbeteiligt, an vorderster Stelle oder im Hintergrund zornig sind lässt die Bilderfolge noch nicht besonders aufregend sein. Wenn da nicht auf jedem Bild die Jahreszahl versteckt in der Ziffern- und Zahlenfolge wäre. So werden aus den alten Männern „Sieben Prototypen der Gattung abgehalfterte Machthaber. Gleich die Krawatten. Da stehen sie verkrümmt und verbittert und verstehen nicht, das plötzlich Unrecht sein soll, was vor kurzem noch Recht war. Verschieden und doch gleich, überproportional groß die Hände, nervös verschränkt, verbissen geballt. Verschieden und doch gleich die Gesichter. Hinterhältig, auf Gelegenheit zur Rache lauernd der eine. Der andere zerknirscht oder vielmehr Zerknirschung vorspielend, sich leutselig dumm stellend ein dritter. Der nächste mit  gastritischer Leichenbittermiene und wieder einer abwartend kalt.“ (Theo Schneider) So geben sie ein prophetisches Bild der unbeweglichen uneinsichtigen Politikerriege her, die nicht wahrhaben wollen, dass sie ihre Macht verloren haben. So wurde dieses Bild zum Politikum.
 
Nicht alle seine Bilder kann man ins Wohnzimmer hängen.

Sie regen einen manchmal zu sehr auf. Und das sollen sie auch.
Aber überall da wo sie anregen und aufregen können, ja müssen,
da gehören sie hin.


Zum Schluss eine kleine Interpretation und Verdichtung über
„Die Klagemauer“, dem Hauptbild des heutigen Abends.
 

 

 

Weil Einer anfing...

 

Aufgebaut aus Ideologie,                             

Gleichmut und Resignation

Steht sie da

Die Mauer

In den Köpfen

Und mit ihnen

 

Gebaut

für die Ewigkeit

In hundert Jahren noch

Sollte sie stehen

 

Und steht doch nicht mehr!

 

Weil Einer anfing

Auszubrechen

Aus der Resignation

Und dem Gleichmut

Der Mut wurde

 

Weil Einer anfing

Aus der

Ideologie auszubrechen

Eine Klage zu richten

Die Richtung wurde

 

Weil Einer anfing

Aus dem

Jammern der Bedrängnis

Eine Klage zu formen

Die Anklage wurde

 

Weil Einer anfing

Dessen Ohnmacht aufquoll

Zu einer Macht

Der Ohnmächtigen

Gegen die Depression

 

Eine Ohnmacht

Die ohne Macht

Veränderung brachte

 

Sie bringt

Die Macht

Des Veränderns

Auch Heute                                      

 

© by hansjoachimkoehler@msn.com März 09

Hans-Joachim Köhler, Oberpfarrer i. R. | hansjoachimkoehler@msn.com